Marianne Karmon, geb. Schmoller, wurde 1921 in Berlin geboren. Ihre Mutter Annie, geb. Lipschitz, war Fotografin, ihr Vater war Direktor einer Baufirma. Die Eltern ließen sich 1924 scheiden und Marianne wuchs bei ihrer Mutter auf. Beide Eltern waren jüdisch, doch spielte das Judentum in der Familie keine große Rolle. Sie feierten Weihnachten, gingen in die Kirche und Marianne Karmon besuchte erst eine katholische, dann eine protestantische Schule. Ihr war zunächst nicht bewusst, dass sie Jüdin ist. Erst in der zweiten Klasse, als sie am jüdischen Religionsunterricht teilnehmen musste, erfuhr sie von ihrer Zugehörigkeit. Nach dem Machtantritt der NSDAP wurde sie in den folgenden Jahren aus dem Turnverein und dem Chor ausgeschlossen. In der Schule vermaß man ihren Kopfumfang, um die antisemitische Rassenideologie zu vermitteln. 1935 musste Marianne Karmon auf eine jüdische Schule wechseln. Die Olympischen Spiele 1936 spielten für sie eine wichtige Rolle, da es ihr als Jüdin gelang, diese zu besuchen. Ab dem elften Lebensjahr ging sie in die zionistische Jugendorganisation Makkabi Hatzair, bei der sie unter anderem landwirtschaftliche Kenntnisse zur Vorbereitung auf das Leben im Kibbuz erwarb. Die Jugendorganisation war für sie identitätsstiftend. Sie beschreibt im Interview den Umgang der Organisation mit dem erstarkenden Antisemitismus: „Macht euch nichts draus, wenn die Deutschen sagen, ihr gehört hier nicht hin. Ihr habt ein anderes Land, das heißt Palästina […] und da werdet ihr mit der Schaufel in der Hand den Boden bearbeiten und die Wüste zum Blühen bringen.“ Während der Novemberpogrome nahm ihre Mutter verwandte und befreundete jüdische Männer bei sich zu Hause auf, um sie vor Gewalt und Verschleppungen zu schützen. Infolge der Pogrome entschloss die Familie sich dazu auszuwandern. Marianne Karmon gab ihr erstes Ausreisevisum zugunsten eines im KZ gefangenen Mannes auf. Sie selbst floh am 9. Juli 1939 mithilfe von Makkabi Hatzair nach Schweden. Dort blieb sie zehn Jahre und arbeitete unter anderem als Dienstmädchen auf einem Bauernhof. Auch in Schweden erfuhr Marianne Karmon Antisemitismus. In Stockholm verliebte sie sich, heiratete und brachte 1946 ihre Tochter zur Welt. Ihrer Mutter gelang es, mit ihrem neuen Ehemann vor den Nazis in die USA zu fliehen. 1949 wanderte Marianne Karmon mit ihrer Familie nach Israel aus, wo sie zunächst in einem Kibbuz lebten, später in Jerusalem.

Von Marianne Karmons näheren Familienmitgliedern wurde niemand während der Schoa ermordet. Ein guter Freund von ihr wurde ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort umgebracht. Marianne Karmons Verhältnis zu Deutschland war komplex. Viele Ereignisse und Erfahrungen in ihrem Leben führten dazu, dass sie sich zeitlebens als Brückenbauerin zwischen Israel und Deutschland engagierte, so war sie zum Beispiel Ehrenvorsitzende des Israelischen Freundeskreises der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste. Am 11. Dezember 2023 verstarb Marianne Karmon in Jerusalem im Alter von 102 Jahren.