Giselle Cycowicz (geb. Friedmann) wurde 1927 in Chust, damals Teil der Tschechoslowakei (heute Ukraine), geboren. Sie war eine von drei Töchtern orthodoxer jüdischer Eltern. Ihr Vater, ein Geschäftsmann und überzeugter Zionist, hatte bereits alle erforderlichen Papiere für die Ausreise nach Palästina beschafft, doch die Mutter war dagegen das Land zu verlassen und die Familie blieb. Giselle Cycowicz war zwölf Jahre alt, als ihr in der Schule ein_e Mitschüler_in einen Zettel in den Nacken warf mit der Aufschrift: „Tod den Juden!“, erinnert sie sich im Interview. Mit Beginn der ungarischen Herrschaft 1939 begann für die Familie die Verfolgung. In diesem Jahr mussten Giselle und ihre Schwestern Edith und Helen die Schule verlassen, denn schulische Bildung war für jüdische Kinder verboten worden. Der Vater verlor sein Unternehmen und auch sonst gab es für die Eltern keine Möglichkeit mehr zu arbeiten, ihnen fehlten jegliche Einkünfte. 1944, am Tag der deutschen Besatzung, wurde Giselles Schwester Edith in das Konzentrationslager Kistarcsa deportiert. Die restliche Familie musste zunächst in das Ghetto von Chust umsiedeln, einige Wochen später wurden sie in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Im Interview erinnert sich Giselle Cycowicz an die dreitägige Fahrt mit unbekanntem Ziel in einem Viehwagon. Nach ihrer Ankunft erfolgte die erste Selektion, die SS trennte Männer und Frauen, Junge und Alte voneinander. Der Vater kam in ein Arbeitslager in das Kohlebergwerk Buna-Monowitz. Am 6. Oktober desselben Jahres wurde er ermordet: An diesem Tag brachte die SS 200 Jüdinnen_Juden von dort zurück nach Birkenau, wo sie in den Gaskammern ermordet wurden. Da die Schwestern in Birkenau in ständiger Angst um die Mutter waren, meldeten sie sich alle drei für ein Arbeitslager.

Bei einer Selektion wurden sie jedoch von der Mutter getrennt und wussten nichts über ihren Verbleib. Giselle und Helen wurden in das Frauen-Arbeitslager Mittelsteine in Ścinawka Średnia in Polen deportiert und hatten dort in einer Fabrik für Flugzeugteile unter Hunger und extremer Kälte rund zwölf Stunden am Tag Zwangsarbeit zu leisten. Im Frühjahr 1945 wurden die beiden – angesichts der vorrückenden Roten Armee – in das Frauenarbeitslager Mährisch-Weißwasser verlegt, wo sie das Kriegsende am 8. Mai 1945 erlebten. Sie kehrten zu Fuß etwa 600 km nach Chust zurück, um nach ihrer Familie zu suchen. Dort trafen sie ihre Schwester Edith und ihre Mutter wieder. Ihr Haus war geplündert und zerstört und sie entschieden sich, ein Lager für Displaced Persons (DP) aufzusuchen, um von dort nach Israel zu emigrieren. Auf dem Weg dorthin blieben sie in Cheb (Eger), einem Ort an der deutsch-tschechischen Grenze, weil es dort Arbeitsmöglichkeiten für sie gab. Giselle Cycowiz hatte in dieser Zeit keine Gelegenheit, ihre Schulbildung nachzuholen. 1948 gelang es der Familie mit Hilfe der Unterstützung von Bekannten, nach New York auszuwandern. Dort war Giselle Cycowiz in verschiedenen Fabriken tätig, bis sie 1950 eine Stelle als technische Zeichnerin bekam und ihre Fähigkeit nutzen konnte, die sie im Arbeitslager Mittelsteine erlernt hatte. 1955 konnte sie über ein von der Jewish Agency  initiiertes Austauschprogramm nach Israel reisen und ein Jahr bei der Israel Electric Corporation als Designerin arbeiten. Zurück in den USA lernte Giselle Cycowicz ihren Ehemann kennen, der aus Berlin stammte. 1957 heirateten sie und bekamen drei Kinder. Ihre 1961 geborene Tochter Yael Bier erzählt im Interview, dass sie immer wusste, dass ihre Mutter verschiedene Lager überlebt hatte, auch wenn sie die Geschichten darüber nicht hören wollte. Sie realisierte erst im Laufe der Zeit, dass sie selbst wenige Jahre nach Ende des Krieges auf die Welt kam – geboren in eine „normale, sichere, gesunde, freie Welt“, wie sie im Interview beschreibt. Auch sie machte antisemitische Erfahrungen: Als sie in einem Gespräch während einer Busreise erwähnte, sie spreche Jiddisch, wendete sich ihr ostdeutscher Gesprächspartner ab und wechselte kein Wort mehr mit ihr. 1969 begann Giselle Cycowicz mit 42 Jahren, auf dem Brooklyn College Psychologie zu studieren, und promovierte 1978 an der City University New York in Persönlichkeits- und Sozialpsychologie. Sie arbeitete anschließend sieben Jahre als Psychologin für die New York Telephone Company. 1992, ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes, entschloss sie sich, ihren drei Kindern zu folgen und nach Israel umzuziehen. Hier arbeitet Giselle Cycowicz bis heute für AMCHA e. V. und unterstützt als Psychologin andere Schoa-Überlebende therapeutisch bei der Verarbeitung ihrer Erinnerungen und Traumata. Giselle Cycowicz verstarb am 4. September 2024 im Alter von 97 Jahren im Kreise ihrer Familie.

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